Wie Du mir so ich Dir: Gegenabmahnung nicht rechtsmissbräuchlich

Mahnt der Abgemahnte seinerseits den Abmahner ab, so ist die zweite Abmahnung nicht automatisch rechtsmissbräuchlich. Auch dann nicht, wenn der zuerst Abgemahnte den Abmahner ohne dessen Vorgehen  gar nicht abgemahnt hätte (Urteil des LG Frankfurt/Main vom 09.02.2011, Az. 3-8 O 120/10).

Sachverhalt

Die Parteien vertreiben unter anderem Kabel sowie Zubehör für Satellitenanlagen über das Internet, insbesondere über „Amazon“ und „eBay“.

Die A fügte im März 2010 unter einer bestimmten ASIN-Nummer ein Kabel samt Beschreibung auf dem Amazon-Marketplace hinzu und bot dieses zum Verkauf an. Zwischen dem 05.08.2010 und dem 27.08.2010 änderte die B die Artikelbeschreibung, was die A jedoch nicht bemerkte. Die B mahnte die A wegen Verletzung der der B zustehenden Wortmarke X am 09.09.2010 ab. Grund: Die A hatte weiterhin No-Name-Kabel verkauft, obwohl die Artikelbeschreibung auf ein Markenprodukt ausgerichtet war,

Die B bewarb auf ihren Ebay-Angebotsseiten Antennenkabel mit dem Slogan „Blitzversand“. Zusammenhanglos und weiter unten wurden dann weitere Details für eine Sofortlieferung genannt: Diese gab es nur für Waren mit Rechnungsbeträgen unter 300 € und auch nur bei mindestens 20 positiven Bewertungen oder der Übersendung eines Screenshots.

Die A bestellte am 22.09.2010 ein solches Antennenkabel zu Testzwecken und bezahlte es am selben Tag durch Überweisung, welches erst am 29.09.2010 bei der A ankam.

Im Rahmen der Zahlungsabwicklung war außerdem bei „Newsletter abonnieren“ bereits automatisch ein Häkchen gesetzt. Ferner meint die A, dass einige AGB-Klauseln der B wettbewerbsrechtlich nicht zulässig  seien.

Die A mahnte die B wegen obiger Verstöße deshalb mit Schreiben vom 15.09.2010 und 24.09.2010 ab und begehrte Unterlassung. Außerdem unterbreitete sie der B in einem weiteren Schreiben ein Vergleichsangebot dergestalt, dass sie auf sämtliche Ansprüche verzichten würde, wenn die B ihrerseits vollumfänglich auf die am 09.09 geltend gemachten Ansprüche verzichten würde.

Exkurs: Die Änderung der Angebotsbeschreibung bei Amazon

Derjenige der erstmals ein Produkt bei Amazon verkaufen möchte und deshalb Beschreibung sowie Bilder online stellt und überträgt Amazon an diesen Daten ein Nutzungsrecht. Das besondere am Amazon-Marketplace ist, dass ein und derselbe Artikel von verschiedenen Händlern angeboten werden kann, wobei immer die zuerst eingereichte Beschreibung plus Artikelbild verwendet wird.

Nun wird aber manchen Händlern das Recht eingeräumt auch fremde Artikelbeschreibungen zu ändern. Wird auf diese Art und Weise ein No-Name-Produkt plötzlich zum Markenprodukt ist dies für den Erstanbieter ein Problem: Er liefert schließlich nach wie vor sein No-Name-Produkt.

Exkurs Ende

Aus der Entscheidung des Gerichts

Zunächst hat das Gericht festgestellt, dass die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche nicht nach § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich war. Von einem derartigen Rechtsmissbrauch sei nur dann auszugehen, wenn das beherrschende und überwiegende Motiv sachfremde Ziele waren.

Zum konkreten Fall führt das Gericht aus:

Der bloße Umstand, dass die [A] durch die vorangegangene Abmahnung der [B] dazu bewegt wurde, nun ihrerseits gegen die [B] vorzugehen, ist unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nicht zu beanstanden […]. Denn es entspricht durchaus wirtschaftlicher Vernunft […] und kann daher nicht als von sachfremden Erwägungen getragenes Agieren angesehen werden, wenn häufig erst der Erhalt einer Abmahnung durch die Konkurrenz zum Anlass genommen wird, nun auch seinerseits das Marktgebaren des Wettbewerbers genauer zu beobachten und gegebenenfalls einer gerichtlichen Beurteilung unterziehen zu lassen. Wollte man einen solchen „Gegenschlag“ als rechtsmissbräuchlich qualifizieren, hieße dies, den von der Verfassung gewährten Zugang zu den Gerichten auf eine gesetzlich nicht vorgesehene und daher unzulässige Weise zu verkürzen.

Dann widmet sich das Gericht der Frage der nachträglich Abänderung der Amazon-Beschreibung: Darin sei eine gezielte Behinderung, also eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerberin zu sehen. Die Abänderung diente in erster Linie der Behinderung der Mitbewerber und nicht der Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung.

Der A wurde ein Unterlassungsanspruch nach § 5 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 UWG zugesrpochen, weil die B ihr Kabel blickfangmäßig mit der Bezeichnung „Blitzversand“ beworben hat. Dies sei jedoch irreführende Blickfangwerbung, da „ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher […] unter Blitzversand verstehen [wird], dass die bestellte Ware ohne Ausnahme – unabhängig vom Rechnungsbetrag – umgehend nach Bestellung verschickt wird.“ Dies sei aufgrund der Einschränkungen, welche aber gerade nicht am Blickfang teilnahmen (kein unmittelbarer Zusammenhang, kein Sternchenhinweis).

Ferner war auch der Antrag hinsichtlich der E-Mail-Einwilligung begründet ( § 3 Absatz 2 Satz 1 UWG) , da die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einwilligung bei vorgesetzt Häkchen nicht erfüllt seien. Dazu das Gericht weiter:

Bei einer mittels eines voreingestellten Häkchens vorformulierten Erklärung (Opt-out-Klausel) fehlt es an der geforderten spezifischen Einwilligungserklärung. Die geforderte spezifische Angabe verlangt vielmehr eine gesonderte Erklärung durch individuelles Markieren eines entsprechenden Feldes, sogenannte „Opt-in“-Erklärung

Außerdem verstießen auch die beanstandeten AGB-Regelungen gegen Wettbewerbsrecht. Weitere Details würden jedoch im Rahmen dieser Besprechung zu weit führen.

Fazit

Kommt man erst durch eine Abmahnung auf die Idee, dass man die Gegenseite ja auch abmahnen könnte, so ist diese „Retourkutsche“ nicht zwangsläufig und automatisch als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Voraussetzung ist jedoch, das die „Rache“ als sachfremdes Motiv nicht gegenüber sachlichen Gründen überwiegt.

© Kanzlei Keller-Stoltenhoff, Keller.